Nevado de Toluca

Ja…eigentlich hab‘ ich ja gar keine Zeit um zu schreiben. Ich bin nämlich derzeit super beschäftigt: ich lebe gerade in vollen Zügen. Also nicht wirklich natürlich, hier in Oaxaca gibt es ja gar keine Züge. Aber volle Busse gibt es. Nicht klimatisierte, volle, Busse. Aber ich schweife ab…

Ich habe viel weniger Zeit fürs Schreiben denn, anders als in California, darf ich hier in meinem neuen Leben in Mexico, arbeiten – und nachdem mir diese riesengroßen Spaß macht, tue ich das auch sehr ausführlich und viele Stunden am Tag. Und dann habe ich schon so viele liebe Menschen kennengelernt was dazu führt, dass auch meine Freizeit ziemlich verplant ist. Ergebnis: es geht mir supergut:

Apfelstrudel backen…

…Hierve del Agua…

…and Fiesta


Mein Job präsentiert sich sehr abwechslungsreich und ich lerne täglich soooo viel! Es ist mein neues Hobby morgens aufzustehen und ins Office zu radeln! Ist das nicht großartig? Vor allem nach den letzten Jahren wertschätze ich das doppelt und dreifach!

Apropos Hobby: ich bin mich immer noch am eingewöhnen in Oaxaca. Was tut man, bzw Kiki hier so in ihrer Freizeit? Derzeit habe ich in dieser Stadt zwei Lieblings-Hobbies:
1. Ausgehen und tanzen oder
2. Laufen gehen.

Blöderweise vertragen sich diese beiden Hobbies so gar nicht…

Wenn ich nämlich ausgehe und tanze schaffe ich es meist erst zwischen 4 und 6 Uhr morgens zurück in mein Bett und dann brauche ich (in meinem Alter) fast die ganze Woche um mich davon wieder zu erholen. Und laufen gehen klappt nur um 6 Uhr morgens – denn später ist es einfach viel zu heiß…

Aber langsam komme ich in einen Rhythmus und das Gute ist wenn ich Montag abends komplett übermüdet und halbtot ins Bett falle: Ich kind of überhöre das nächtliche Gebell und Geheule der Straßenhunde…


Warum ich mich jetzt trotzdem hinsetze und euch schreibe ist, dass ich euch von einem unvergesslichen Wochenende erzählen muss!

Letztes Wochenende durfte ich nämlich raus aus der Stadt und meinem anderen Lieblings-Hobby nachgehen: dem WANDERN! Das kommt in Oaxaca-City sonst leider ein bisschen kurz.

Der Nevado de Toluca soll bestiegen werden:  mit 4,680 m der viert höchste Vulkan Mexikos!

Mit meinen neu gewonnenen Freunden fahre ich also am Freitag nach der Arbeit mit dem Bus nach Mexico City.  Wir sind: zwei Mexikaner, zwei Australier, eine Amerikanerin, ein Deutscher und eine Österreicherin.

Nach „nur“ sieben Stunden Busfahrt mischen wir uns unter die über 8 Millionen Chilangos in dieser auf 2.240 m hoch gelegenen Stadt. Bumm. Aber wir mischen nicht sehr lang, es ist schon 23:30 Uhr und um 5 Uhr ist Tagwache. Also lieber schnell schlafen (und das klappt übrigens ohne auch nur einen einzigen Hund bellen gehört zu haben!).

Kurz vor fünf werde ich auch ohne Wecker wach – der prasselnde Schüttregen weckt mich auf. Oje. Das ist ja weniger vielversprechend für eine Wanderung. Aber ich habe meine Regenjacke mit und bin ja bitteschön nicht aus Zucker!

5:30 Uhr werden wir von unseren Tour-Guides von unserem Airbnb abgeholt, (also 5:30 mexikanischer Zeit, denn tatsächlich kommen die beiden erst um 6 Uhr an) und „nur“ drei Stunden später sind wir bei unserem Wanderstartplatz angekommen. Wolken ja, Regen nein. Prima.

Wir sind bereits auf 3.680 Metern Höhe. Jo, da schwummert es schon a bissi im Kopf. Ich sehe schwarze Punkterl vor den Augen und mir ist ein wenig schwindelig. Wir bekommen letzte Anweisungen: langsam gehen und regelmäßige Pausen machen um nicht an der Höhenkrankheit zu erkranken. Falls doch jemand mit Erbrechen, Schwindel, Kopfschmerz zu kämpfen hat oder einfach körperlich nicht fit genug ist um es bis zum Gipfel zu schaffen so kehre er mit einem der Guides um, und der Rest der Gruppe wandert mit dem anderen weiter. Dann werden wir mit Helmen und Wanderstöcken ausgerüstet und es geht los.

 


Wir starten sanft. Trotzdem keuchen wir alle ein bisschen aufgrund des nicht gewohnten Sauerstoffmangels.

Aber SCHÖN, ist’s. WUNDERSCHÖN.

Und dann wird’s sanft steiler…

…und der Schwindel stärker.

So sind wir nicht böse als uns unser Tour-Guide zu einer Pause „zwingt“ um uns etwas zu akklimatisieren.

Dann steigen wir höher und höher. Das Schnaufen lauter, das Plaudern leiser. Ab und zu ist mir ein wenig übel, aber es geht. Ganz langsam steigen wir weiter. Einige von uns bekommen Kopfweh. Bei mir ist es eher der Schwindel und ein ungeheurer Druck auf meinen Augenlidern. Aber ich genieße jede Sekunde. Es ist so beeindruckend!

Nun ist es auch an der Zeit unsere Helme aufzusetzen. Zu groß die Gefahr verletzt zu werden: durch Steinschlag oder aufgrund des unwegsamen Geländes zu stürzen und sich den Kopf blutig schlagen. Aber da es auch ganz schön kalt und windig ist, ist es direkt angenehm den Kopf auch ein wenig vor der Witterung zu schützen.

Die letzten beiden Stunden sind für alle ein wenig anstrengend – vor allem die Höhe macht uns zu schaffen. Aber der Gipfel kommt stetig näher:

Und dann kommt für mich der Punkt wo ich nicht weitergehen möchte: Höhenangst!

Aber Javier, unser super Tourguide, nimmt mich mental an der Hand und führt mich Schritt für Schritt weiter – und dann, nach fünf Stunden simma angekommen:

Der Gipfel des Nevado de Toluca. 4680 m.

Der Kopf drückt und schwindelt, die Lungen schnappen nach Luft, das Herz klopft wie verrückt, außerdem habe ich das Gefühl beschwipst zu sein – das ist wohl der Höhenrausch? Wow, es geht mir so gut! Vielleicht sind es auch Glückshormone? Oder Höhenrausch plus Glückshormone.

So oder so: ich bin so dankbar, das erleben zu dürfen!

Da sitze ich auf 4.680 Metern Höhe und habe Mega-Kopfschmerzen. Da lebe ich in Mexiko, ganz allein, 10.206 km weit weg von meiner Heimat. Da erlerne ich als English Teaching Program Coordinator einen komplett neuen Beruf und konzentriere mich durch Business-Meetings in spanischer Sprache (bei einem Gehalt von 200 Euro). Da hause ich in einem winzigen Zimmer zur Untermiete und mein Besitz beschränkt sich auf: 1 Koffer voll Kleidung (durch die sich die Motten fressen), mein Fahrrad, 1 Teller, 1 Tasse, 1 Löffel und 1 Topf, 10 Mücken und unzählige Kakerlaken. Das Klo besitzt weder eine Klobrille noch eine Klospülung. Und die Wäsche wäscht sich von Hand.

Und ich bin so erfüllt und zufrieden wie noch nie zuvor!

Und ja, manchmal fühle ich mich einsam. Und ja, manchmal wünschte ich ich hätte eine Waschmaschine. Und ja, es wäre angenehm, wenn schon kein Geschirrspüler, dann doch zumindest eine Abwasch in der Küche zu haben und nicht immer in den Innenhof marschieren zu müssen (vor allem bei Regen) um dort abzuwaschen.

Und dann sitze ich im Autobus, in dem nicht klimatisierten, auf dem Weg in die Gemeinde wo ich mit meinem Team Englisch unterrichte. Zusammengepfercht mit 198 Mexikanern und ein paar Hühnern, schaue aus dem Fenster und sehe wie der Bauer mit seinen zwei Ochsen und einem Holzpflug den Acker pflügt, dahinter die Samen säende Bäuerin.

Und sie alle sind fröhlich, zufrieden und freundlich – und noch keiner hat mir den Eindruck vermittelt neidisch auf all die reichen Touristen zu sein. Ich bin so inspiriert von dieser Kultur, von diesen Menschen, und habe das Wichtigste von ihnen gelernt:

Es braucht in der Tat nicht Besitztümer um glücklich zu sein. Es braucht nur ein fröhlich schlagendes Herz.

Und mein Herz schlägt sehr zufrieden, stolz und fröhlich gegen meinen Brustkorb als ich in den Krater des Vulkans blicke.

Wir jausnen, wir trinken, wir plaudern und sind froh. Und dann marschieren wir wieder runter. Mit jedem Meter hämmert mein Kopf mehr. Dafür machen mir meine Beine keine Probleme – das viele tanzen und laufen hat sich bezahlt gemacht.

Und drei Stunden später sind wir wieder unten angekommen. Zufrieden, durchnässt (der Regen kam dann doch noch) aber vollzählig, und mit hämmernden Köpfen.

Am Heimweg gibt es Tacos und Aspirin. Das tut gut. Und um 19 Uhr sind wir zurück in unserer Herberge, um 20:30 Uhr gönnen wir uns noch ein Dinner und ein Bier und fallen um 23:00 Uhr ins (viel zu harte) Bett.

Am nächsten Morgen wird zusammengepackt und es geht wieder „heim“ nach Oaxaca. Sieben Stunden entspannen im Bus mit einer stetig wechselnden vorbeiziehenden Landschaft.

Danke für dieses fantastische Wochenende (vor allem an Pascal und Eli die die ganze Planung übernommen haben)!

Und jetzt ist es Samstag Abend – eine Woche später. Ich geh tanzen. Tschüss.

 

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