Einmal Mt. Chirripó (3820 m), höchster Berg Costa Rica’s und zurück.

Das Titelbild ist nicht mit Photoshop bearbeitet…ich hab’s also tatsächlich bis ganz rauf geschafft!! Das war aber gar nicht mehr so sicher…


Freitag:

Tag des Aufstiegs. Start: San Gerardo de Rivas (1250 m) Ziel: Base Camp (3393 m). Kilometer: 16

Mir wurde von allen Seiten geraten um vier Uhr morgens zu starten.

1. weil man erst weiß wie lange man tatsächlich für die 16 Kilometer und 2143 Höhenmeter braucht wenn man es geschafft hat,

2. weil man gerne im Hellen oben ankommen möchte – und ein 10 Stunden-Aufstieg ist keine Seltenheit,

3. weil man nicht gerne in den Regen kommen möchte – denn dann ist alles und man selbst nass und oben ist es kalt. Das Base Camp ist nicht beheizbar und draußen hat es 7°C. Und die Regenwahrscheinlichkeit steigt ab 12 Uhr.

Klingt für mich alles sehr einleuchtend und ich stelle den Wecker auf 3:30 Uhr.

Ich brauche ihn allerdings gar nicht. Bin schon seit Mitternacht wach. Im Dorf geht nämlich seit ein paar Tagen ein Magen-Darm-Virus um. Und ausgerechnet einen Tag vor meinem Abenteuer verschlucke ich ihn…

Ich lerne: einmal gebucht, ist ein Stornieren oder Verschieben der Reservierung nicht mehr möglich. Und da ich über 60 Euro (!) bezahlt habe (Parkeintritt und eine Übernachtung im Vier-Bett-Zimmer) beschließe ich den Aufstieg zumindest zu versuchen. Kann ja jederzeit umkehren wenn ich denke ich schaffe es nicht…

So liege ich am Vorabend im Bett und kann nicht schlafen, da mir die drei Löffel Reis vom Abendessen schwer im Magen liegen und mir einfach nur schlecht ist! Ich atme, ich entspanne und irgendwann komme ich dann doch zur Ruhe. Wache allerdings um Mitternacht wieder auf. Ich habe Hunger. Mir brummt der Magen. Hatte den ganzen Tag nicht mehr als eine Schüssel Reis zu mir genommen. Aber da jeder Bissen mit Übelkeit und Magenkrampf bekämpft wird bleibe ich lieber hungrig – kann aber nicht mehr schlafen.

Vor Abmarsch zwinge ich mich einen Esslöffel Haferflocken mit Wasser zu essen. Ich bringe es kaum hinunter da mir gleich wieder schlecht wird.

Oje. Ist das die beste Voraussetzung für SO eine Wanderung?

Ich beschließe einfach mal los zu gehen und dann sehe ich ja schon – kann ja jederzeit umkehren…

Draußen ist es stockfinster, aber meine Taschenlampe erhellt mir den Weg. Schön ists. So still. Bis auf einen einzelnen,  sich entweder im Stimmbruch befindlichen oder äußerst unmusikalischen Hahn, der schon für den Tagesanbruch übt.

Nach etwas weniger als 30 Minuten erreiche ich den Eingang zum Nationalpark, genannt: Das Thermometer.

Denn der erste Kilometer hat es gleich mal in sich! Es geht sehr steil hinauf und wenn man Kilometermarke Nummer 1 erreicht, dann ist man auf der Temperatur, die einen für die nächsten Kilometer nicht mehr verlassen wird…

Ich hab’s gut, denn ich bin ja schon ein Zeiterl unterwegs um überhaupt hierherzukommen, und daher schon vollkommen auf Temperatur!

Durstig (trotz Dunkelheit ist es überraschend warm) trinke ich ein paar Schluck Wasser. Nicht gut! Mein Magen überschlägt sich – aber nicht vor Begeisterung. Viel eher macht er sich zur Übergabe bereit…

Hmmm. Was soll ich tun. Was soll ich tun?

Mein Verstand teilt mir mit, dass ich besser umkehren sollte. Aber mein Herz schwört mir auf dem richtigen Weg zu sein! Es schlägt so glücklich und voller Vorfreude in meiner Brust und ich WEISS es einfach, dass ich es schaffen werde! Ich möchte es sooo gern!

Heute wird mir zum ersten Mal richtig bewusst um wie vieles stärker mein Geist als mein Körper ist! Ich will und werde es schaffen – ich WEISS es einfach!

Und so setze ich meinen ersten Schritt auf den Camino. Meine Augen strahlen – sowie die zwei rechts neben mir im Busch. Huch? Da es zwei sehr kleine Augen sind mache ich mir weiters keine Gedanken und erschrecke mich nur ein klein wenig als eine Fledermaus ihre Flugbahn falsch kalkuliert und gegen meine Stirn kracht!

So sieht Kilometer 1 aus wenn es hell ist

Während ich so hinaufkeuche überlege ich ob die Übelkeit von der Anstrengung oder von meinem Magen kommt.

„Vegetatives Nervensystem an Großhirn, bitte kommen!“

„Ja, vegetatives Nervensystem. Großhirn hier, was gibt’s?“

„Großhirn, Großhirn, bitte um rasche Aktion! Der ‚Durch‘ will ‚fallen‘! Ich wiederhole: der ‚Durch‘ will ‚fallen‘ !“

„Ohoooh…! Großhirn an Anus, Großhirn an Anus! Sofort Schotten dicht machen! Der ‚Durch‘ will ‚fallen‘! Ich wiederhole: Schotten dicht machen!

Großhirn an Stimmbänder, Großhirn an Stimmbänder! Bitte einmal stöhnen!

Großhirn an Schweißdrüsen, Großhirn an Schweißdrüsen! Ich bitte um eine Extraration Sekretion!“

Brav tue ich wie geheißen – schließlich hat man auf das vegetative Nervensystem keinen Einfluss. Ich stöhne fügsam, kneife meinen Po zusammen und lasse Niagarafälle über meine Stirn purzeln.

Wie vom vegetativen Nervensystem befohlen stöhne, kneife und schwitze ich.

Wir passieren gerade Kilometermarke 1 und haben somit die ersten 219 Höhenmeter geschafft als mein Magen-Darm-Trakt sich aufbläht und säuerlich brummt: „Wir wollen mit der Scheiße nichts mehr zu tun haben!“

Und dann beginnt er Druck zu machen…

„Ruhe jetzt!“ zische ich in die Nacht. Ich wische den Schweiß von meiner Stirn. „Es ist anstrengend genug hier rauf zu wandern! Ich brauche dein Gejammer jetzt echt nicht!“

Ich atme tief ein und aus und beschwichtige das beleidigte Organ. Und mit erreichen von Kilometer 5 haben sich alle soweit beruhigt. Wir können uns darauf einigen, dass ich Wasser nur so häufig wie unbedingt sein muss und nur in ganz kleinen Schlucken zu mir nehme. Ich atme tief aus. Prima. Gut das wir das klären konnten denn Kilometer 5 hat es wieder in sich und ich brauche Energie.

Kilometer 2 bis 4: etwas weniger anstrengend als Kilometer 1, da es nicht durchgehend steil dahingeht und man dadurch immer wieder ein paar Meter hat wo man durchschnaufen kann.

Nachteil ist nur die Bodenbeschaffenheit: Knöcheltiefer Gatsch und Lehm machen den Weg ein wenig zur Rutschbahn. Aber gestern hat es nicht geregnet – so ist es an den Seiten halbwegs gut begehbar!

Aber mit Rudi an meiner Seite ist das alles kein Problem. Ich sag’s euch, ohne Rudi geh i nimma wandern! Und für den Mt. Chirripó empfehle ich jedem einen solchen Freund – aus welchem Material auch immer…

Und dann kommt Kilometer 5

Das ist ein wenig zach. Viele hohe Stufen sind zu erklimmen. Aber hat man es geschafft kann man sich einen ganzen Kilometer lang erholen…

...auf einem schönen und einfachen Weg.

 

Und dann bin ich schon bei der Mittelstation und Estevan angelangt. Uhrencheck: drei Stunden. So wie beim letzten Mal. Nur, heute bin ich sogar weniger ausgelaugt als beim letzten Mal. Prima – denn heute kehre ich nicht um. Ich gehe weiter!

Ich benutze das Klo (das war Part des Deals mit meinem Magen-Darm-Trakt), kaue ein paar Bissen trockenes Brot, trinke einen Schluck Wasser und dann mache ich mich gleich wieder auf den Weg. Ich möchte nicht, dass meine Muskeln auskühlen.

 

Nach etwas mehr als 3 Stunden und 1350 Höhenmetern erreiche Kilometer 8. Und ich fühle mich großartig!

Einzig, mein Rücken…der schmerzt. Ich glaube es ist nicht unbedingt das Gewicht, das er tragen muss, sondern eher, dass mein Rucksack etwas klein ist um mit so vielen Puli’s und Jacken ausgestopft zu werden, denn er beult sich ganz schön in meinen Rücken. Wobei, besonders leicht ist er auch nicht… Kurz überlege ich ob ich eine meiner beiden Wasserflaschen ausleeren soll – ich trinke ja doch kaum. Aber wer weiß…lieber nicht.

Aber ich packe um, damit die Beule mal an einer anderen Stelle in meinen Rücken pickst. Dann pfeife ich weiter.

Und die nächsten Kilometer sind die reine Hölle!

Kilometer 8, 9 und 10: ein Albtraum!

3 Kilometer (!) geht es durchgehend (!) super steil (!) hinauf!
Und das ganze auch noch auf einem ganz furchtbar (!) öden (!) Pfad!

Und jeder Meter schaut gleich aus. Und die Sonne sticht heiß durch die Bäume durch. Und ich bin durstig. Und ich schwitze. Und zu allem Überfluss schwirrt eine Horde Fliegen um mich wie um Pferdescheisse…

Viele von ihnen sterben – zerquetscht weil sie in mein Auge fliegen während ich es schließe, oder sie ertrinken in meinem Mund oder ersticken in meiner Nase und Ohren. Das heißt die Nicht-Rudi-Hand wachelt in einer Tour vor meinem Gesicht.

Nervtötend – und anstrengend!

Um wenigstens meine Ohren zu schützen höre ich Musik!

One of us is crying. Run to water. Stay. Lauter tolle Titel in meiner Playlist 😉


Und dann, endlich, die 3000er Marke ist geknackt, die Baumgrenze erreicht und eine neue Welt tut sich auf.

Eine Welt voll Sonnenschein ?

Und das Elend der letzten Kilometer kurz vergessen. So schön. So toll. Und jetzt ist es ja auch gar nicht mehr so weit. Und meinem Verdauungssystem geht es besser und besser! (Nur trinken und essen kann ich halt nicht.)

Nur mein Rücken, der bricht bald durch. Und die Sonne…dem Himmel sei Dank habe ich meine Sonnencreme heraufgeschleppt – ich habe das Gefühl zu verbrennen.

Und obwohl es so schön ist und auch nicht mehr ganz so eklig steil wie zuvor muss ich immer öfter stehen bleiben da mir die Luft ausgeht. Und vorsichtig trinke ich immer öfter einen klitzekleinen Schluck Wasser. So komme ich nur mäßig schnell voran – aber es eilt ja nichts. Es ist ja erst neun Uhr.

Und trotz aller Anstrengung genieße ich und bin so glücklich hier zu sein!

Und dann kommt das Erlösende Schild: Ich bin auf 3200 Meter angelangt. Und das Camp liegt auf 3393. Phiuuuuuu 🙂

Und dann? Ich kann es kaum fassen. Dann geht es Bergab! BERGAB!

Innerhalb eines halben Kilometers marschiere ich von 3200 zurück auf 2513 Meter! Das muss ich ja….muss ich ja alles wieder rauf!?!

Ja und das mach ich dann im nächsten Kilometer, auf dem Los Arrepentidos, dem Weg der Sünden…


Kilometermarke 14 und der wohl schlimmste Teil beginnt. Denn der letzte, fünfzehnte (für mich sechzehnte) Kilometer ist einer der steilsten des ganzen Caminos und verläuft noch dazu im prallen Sonnenschein. In meinem Hintern sitzen schon seit Kilometer 12 zwei dicke fette Kater! Und meine Waden…kein Kommentar.

Aber jetzt ist’s auch zu spät um umzukehren. Drum: durchbeißen und weiter!

Alle zehn Minuten muss ich stehen bleiben, nach Luft ringen und meinen Muskeln befehlen weiter zu gehen. UFF!

Aber dann bin ich plötzlich da…

…und die Crestones winken mir Nebelverhangen zu.

6,5 Stunden habe ich für die 16 Kilometer und 2143 Höhenmeter gebraucht 🙂


Ja, doch, das war durchaus anstrengend. Aber, ich denke ich möchte nach einer kurzen Rast noch weiter wandern! Denn hier oben gibt es jede Menge Wanderpfade – und da könnte ich doch noch ein wenig die Umgebung erkundschaften…

Aber erstmal einchecken und – ausrasten! Und als ich mich auf den Weg machen möchte für weitere Abenteuer beginnt es zu regnen. Naja. Vielleicht es es auch besser heute nicht mehr zu abenteuern sondern zu rasten.

Und rasten tut es sich geduscht einfach besser.

Quiiiieck!!!! Trotz wochenlanger kalter Dusche bin ich nicht auf DIESE Wassertemperatur vorbereitet! Das Wasser hat nicht mehr als 14°C!

Wuwuwuwuwuwuwbbbrrrrrrrrrrrrr! Nach der Dusche sind Finger und Lippen blau. Ich ziehe alles an was ich in meinem Rucksack finde. Leider nicht ganz so viel wie so manch anderer. Hab das Gefühl in einer Skihütte zu sitzen. Die meisten tragen Mützen, Schal, Handschuhe und dicke Jacken. Ich hole meine Bettdecke.

Merke: Costa Rica kann seeeeehr warm sein, wir könnten sogar von heiß sprechen… Aber hier am Berg? Bring deine Handschuhe, Schal und Haube!

Und dann hab ich riesengroßen Hunger! Ich frage nach ob ich anstelle des Mittagessens einfach nur Reis haben könnte? Und ja, ich kann.

Der Reis schmeckt köstlich und liegt mir auch nicht schwer im Magen.

Den Nachmittag verbringen ich plaudernd mit meinem Zimmergenossen, Andy – Schauspieler aus Belgien – im Speisesaal und wir schmieden den Plan uns den Wecker auf 3 Uhr zu stellen um den Sonnenaufgang entweder am Gipfel des Cerro Chirripó – höchster Punkt Costa Ricas – oder am Gipfel des Cerro Ventisqueros – 8 Meter niedriger als Cerro Chirripó, aber mit der besseren Aussicht – zu bestaunen.

Um 19 Uhr bin ich komplett kaputt. Drei Stunden Schlaf, der steile Aufstieg, der Durchfall, das wenige essen…HUNGER…ich gönne mir nochmal etwas Reis und falle dann ins eiskalte Bett. Ich lasse einfach gleich alles an was ich besitze und habe Glück: es reicht aus um nicht zu erfrieren…

Und morgen: Der Gipfel!!!


Samstag, der Plan:

Erst zum Gipfel des Cerro Veintisqueros. Start: Crestones Base Camp (3393 m) Ziel: Der Gipfel (3812 m). Kilometer: 3.
Dann ins Tal. Start: Der Gipfel (3812 m) Ziel: Daheim (1250 m). Kilometer: 19
Gesamtkilometer: 22

Die Nacht verläuft mehr wach als schlafend. Das Kommen und Gehen, und Licht an und Licht aus, und schnarchen und, und und und, der Zimmergenossen lassen mich ständig aufwachen und irgendwann nicht mehr einschlafen.

Egal. Um 3 Uhr stehen Andy und ich trotzdem auf. Wow-ist-das-kalt-da-draußen! Und finster.

Wir haben uns entschieden zum Cerro Ventisqueros zu gehen. Vom Base Camp, welches auf 3393 Metern liegt sind es 3 Kilometer auf den 3812 Meter hohen Gipfel. Ihr könnt euch vorstellen: da geht’s steil rauf! Meine Beine haben sich über Nacht in Steine verwandelt und ich schleppe mich nur mühsam voran. Kein Problem, ich muss nur erst warm werden!

Cerro Ventisqueros – wir kommen! Meine Steine müssen sich erst nur wieder in Beine verwandeln…

Nach einem Kilometer ist mir warm – meine Beine sind aber nach wie vor schwer. Mein Herz zerspringt beinahe vor Anstrengung und meine Lunge bebt. Der Druck in meinem Kopf wird mehr und mehr und….hoppla….mir wird schwarz vor Augen! Schnell hinsetzen!

Uiuiui. Gerade nochmal gut gegangen! Nach ein paar Minuten stehe ich auf und marschiere weiter. Aber nach nur wenigen Schritten werden die schwarzen Punkte vor meinen Augen wieder mehr und mehr und…schnell hinsetzen!

Nach dem dritten Hinsetzen muss ich mir eingestehen, dass ich es nicht schaffe und beschließe sehr schweren Herzens umzukehren.

Andy, ganz Gentleman, möchte mich begleiten, aber ich vergewissere ihn, dass ich es alleine schaffe und er ruhig zum Sonnenaufgang eilen kann.

So stapft er weiter und ich frustriert zurück. Ich bin enttäuscht über meinen Misserfolg!

‚Ich hätte einfach durchbeißen müssen!‘ schimpfe ich mich.

Aber meine zittrigen Beine behaupten das Gegenteil. Ich bin böse mit mir, dass ich zu schwach und zu wenig motiviert war weiter zu gehen.

Moment mal, warum bin ich böse mit mir? Ich habe es auf 3393 Meter geschafft – und das mit nur einem halben Liter Wasser, zwei Tage fasten, Durchfall und drei Stunden Schlaf, und wenn ich mir so den Druck in meinem Kopf und Ohren anschaue – vielleicht ist die HÖHE auch nicht so ohne?

Typisch Kiki. Anstatt froh und stolz zu sein was sie geschafft hat ärgert und schämt sie sich was sie nicht kann…

Ich empfinde das alles zwar als billige Ausreden, aber nutze trotzdem den Kilometer zurück zur Herberge mir nicht nur zu verzeihen sondern übe mich auch stolz auf gebrachte Leistung zu sein – anstatt beschämt über den nicht erreichten Gipfel.

Der einsetzende Regen hilft mir etwas über die Enttäuschung hinweg. Ich bin mir zwar sicher, dass die Sonne (trotz Regen) beschließen wird aufzugehen – aber vielleicht mehr heimlich und nicht so atemberaubend schön…

Zurück im Bett kann ich wieder Lächeln. Und dann schlafe ich nochmal eine erquickende Stunde! Als ich um 6 Uhr aufwache ist mein Hunger so groß und meine Beine so zittrig, dass ich „hopp oder dropp“ beschließe und mir ein Frühstück kaufe. Ein Gallo Pinto später entschließt sich mein Körper für „hopp“ denn ich fühle Wärme und Kraft in mir aufsteigen! Da könnte ich doch……

Lerne zu fallen. Und dann wieder aufzustehen.

Ich beschließe, nun gestärkt, den Aufstieg nochmal zu versuchen! Allerdings nicht die steilen 3 Kilometer zum Cerro Ventisquero sondern lieber die 5 (angeblich) weniger steilen Kilometer zum eigentlichen Gipfel, dem Cerro Chirripó zu wandern.

Plan B:

Erst zum Gipfel des Cerro Chirripó. Start: Crestones Base Camp (3393 m) Ziel: Der Gipfel (3820 m). Kilometer: 5,1
Dann ins Tal. Start: Der Gipfel (3820 m) Ziel: Daheim (1250 m). Kilometer: 21,1
Gesamtkilometer: 26,2 (+ der 2 Kilometer von heute Nacht)

Zwar noch a bissl müd‘, aber gestärkt mit Bohnen und Reis! Cerro Chirripó ich komme!

Und der Weg ist schööön zu bewandern! Mäßig bergauf und bergab – das haben meine Beine und mein Popsch gern!

Zwei Stunden brauch man für die fünf Kilometer zum Gipfel hat man mir an der Rezeption gesagt. Hmmm. Das geht so flott dahin, ich glaub‘ das geht schneller. Da vorn isser ja schon, der Gipfel!

WIE man sich doch täuschen kann. Der Weg bleibt nicht so schön. Es wird steiler und immer steiler. Und windiger und immer windiger. Und kälter und immer kälter.

Und dann tritt auch noch das schon bekannte Phänomen auf: nach einer langen Steigung geht es genauso steil und genauso lang wieder bergab. Dreimal hintereinander. Und die Luft wird schon wieder so dünn. Und die Beine, wie kann man nur zwei so schwere Beine haben?

Schritt für Schritt keuche ich mich voran, den Gipfel vor den Augen, wie die Karotte an der Angel vor dem störrischen Esel.

Und es wird noch steiler. Langsam verlässt mich der Mut. Mutterseelenallein hier oben, kämpfe ich gegen den Wind und die Erschöpfung. Rechts neben dem Weg eine Schlucht, links die Felswand. Und vor mir? Ich muss den Rudi zurücklassen. Zu steil um meinen Wanderstock noch benutzen zu können. Ich brauche beide Hände und Füße um die Felswand hinaufklettern zu können. Und ich habe doch Höhenangst…

Aber Ängste sind dazu da überwunden zu werden und so mobilisiere ich all meine Kraft (körperlich wie mental) und klettere den letzten Kilometer zu meinem Ziel…

Das ist der Anfang – später kann ich nimma fotografieren. Brauche Hände zum festhalten.

 

…und da ist es!

Auf 3820 Meter weht die höchste Fahne Costa Rica’s…

…und ich wanke mit ihr. Wären die Wolken nicht – ich hätte Sicht auf die Küste des Pazifik auf der einen, und auf die Küste der Karibik auf der anderen Seite.

Ich begnüge mich mit der Sicht auf das Schild und bin mächtig Stolz 🙂

Aber nur ganz kurz, denn die vielen Wolken beinhalten Wasser – und das entlädt sich jetzt…

Ich klettere zurück und vier Stunden nach verlassen des Camps erreiche ich es wieder. Die zwei Stunden brauch man wohl tatsächlich für den Gipfel!

Ich hole meine restlichen Sachen und mache mich auf die Socken für den Abstieg. Hoffentlich bin ich stark genug. Ich habe heute schon (inklusive der Nachtaktion) 12 Kilometer hinter mir und noch 16 vor mir.

Ich wandere los. Ich brauche viele Pausen. Ich bin so erschöpft. Aber ich bin so glücklich, dass ich fast platze! Ich bin aber auch traurig. Ich bin in so einer eigenen Schwingung – ich kann mir gar nicht vorstellen zurück ins Tal zu gehen. So lache ich während mir die Tränen aus den Augen laufen. Ich fühle mich so ausgepowert und gleichzeitig so stark. Ich bin so schrecklich müde aber doch erwacht. Ich habe das Gefühl mich im besten Moment meines Lebens zu befinden; sowie im schrecklichsten. Ich bin so unendlich klein in dieser Welt und doch BIN ich die Welt…

Ich lache und weine. Da waren so viele Jahre, so unendlich schwer. So viele Jahre musste ich täglich Steine aus meinem Weg räumen. Glück schien ein unerreichbarer Zustand zu sein. Selbstwertgefühl ein Fremdwort.

Und die Gesellschaft? Die war auch nicht zufrieden mit mir und hat gemeinsam mit meinem inneren Ich auf mir herumgehackt.

Großvater: „Kiki, wie viel ist drei mal sieben?“
Kiki schwitzt. Sie hat Angst die falsche Antwort zu geben. In ihrem Kopf ist ein großes schwarzes Loch. Sie weiß es nicht.
Großvater: „Wie soll jemals etwas aus dir werden wenn du DAS nicht weißt?!?“

Aber ich möchte nicht mehr auf mir herumhacken! Es ändert ja nichts – außer, dass ich mich schlecht fühle. Und das raubt mir sämtliche Energie und Freude etwas zu tun. So ich habe beschlossen mich gut (genug) zu fühlen. Und fühle ich mich gut (genug), erreiche ich mit Hingabe und Begeisterung mein Ziel.

Ich habe dieses Lied geschrieben – und auch schon einmal gepostet. Aber es passt so gut an dieser Stelle und vielleicht gibt es den ein oder anderen neuen Leser (muss ich jetzt tatsächlich auch gendern und LeserIN sagen? Mir persönlich ist echte Akzeptanz wichtiger als ein geschriebenes -IN…) der es noch nicht gehört hat, oder jemanden, der es gerne nochmal hören möchte 🙂

Kiki – Leben

Und je weiter ich gehe, je tiefer ich komme, umso geerdeter und kräftiger werde ich. Und so stapfe ich munter singend immer weiter und weiter, brauche auch keine Pausen mehr, bis ich fünf Stunden nach Verlassen des Camps zuhause ankomme…

 

2 Antworten auf „Einmal Mt. Chirripó (3820 m), höchster Berg Costa Rica’s und zurück.“

  1. „Bist narrisch “ sagt der Tiroler,
    wir sind seeeehr stolz auf dich und dass du den Gipfel bezwungen hast ! Du hast aber nicht nur den Berg bezwungen sondern auch dich selbst.
    Unser aufrichtiges Berg Heil!!!
    Peter und Sigrid beso y abrazo.

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